Pfingstempfang

„Hoffnung darf kein Synonym für Selbstbetrug sein!“ – Christiane Florin zur aktuellen Lage der katholischen Kirche beim Pfingstempfang in Paderborn

Unter dem Titel „Wir wollen reden! Diskussion mit Christiane Florin über eine glaubwürdige Kirche“ stand der diesjährige Pfingstempfang des Diözesankomitees in Paderborn. Beim Pfingstempfang der Vertretung der katholischen Laien im Erzbistum Paderborn trafen sich am Freitag nach Pfingsten Vertreterinnen und Vertreter aus Gemeinden, Verbänden, Kirche und Gesellschaft.

Beim diesjährigen Pfingstempfang ging es in der Diskussion mit Christiane Florin darum, welche Konsequenzen aus der sogenannten MHG-Studie und anderen Aufarbeitungsstudien der einzelnen Bistümer zu ziehen sind bzw. warum diese bisher kaum personelle Konsequenzen nach sich zogen. Für Christiane Florin ist klar, dass die sakramentale Aufladung des Amtes in der katholischen Kirche eine andere Logik begünstige als beispielsweise in der Politik. Während in der Politik bei Verfehlungen medial und vom Wahlvolk Druck aufgebaut werden könne, würden sich die Ämter innerhalb der katholischen Kirche diesen Mechanismen entziehen. Aus diesem Grund lasse sich auch keine Haltungsänderung bei den meisten Bischöfen feststellen; oftmals werde nur das zugegeben, was sich nicht länger bestreiten lasse. Hätte Papst Franziskus beispielsweise das Rücktrittsangebot von Kardinal Marx angenommen, hätte es auch für andere Bischöfe kein „weiter so“ geben können. Fällt ein Stein, so Christiane Florin, fallen alle, denn alle Bischöfe hätten ähnlich gehandelt und niemand sei aus dem System ausgebrochen. Statt den Fokus allein auf die Amtsträger zu legen, plädierte Florin dafür, die Betroffenen gemäß einer ethisch gebotenen Hilfspflicht den Schwachen gegenüber in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei nahm Christiane Florin explizit auch die Laien in die Pflicht: Auch bei ihnen fehle oftmals das Bewusstsein für die Situation von Betroffenen sexualisierter Gewalt. Es bedürfe einer Empathie und Solidarität mit den Betroffenen.

In einem zweiten Block, der die aktuelle Reformdebatte in der katholischen Kirche, den Synodalen Weg, thematisierte, stellte Christiane Florin Fehler in dessen Grundkonzeption fest. Die Laien hätten sich auf diesen Weg eingelassen, ohne wirklich gleichberechtigt zu sein, und dies weder bei der Zusammensetzung des Synodalen Weges noch bei demokratischen Verfahrensweisen innerhalb des Prozesses. So müssten Beschlüsse zusätzlich zu einer Mehrheit in der Synodalversammlung mit einer 2/3-Mehrheit durch die Bischöfe legitimiert werden, die so de facto ein Vetorecht hätten. Unabhängig von diesem Grundfehler lobte Christiane Florin aber die erarbeiteten Texte des Synodalen Weges. Diese seien argumentativ stark und inhaltlich elaboriert, auch wenn sie nicht allzu konfrontativ seien und erst noch umgesetzt werden müssten. Damit der Synodale Weg keine „Partizipationsattrappe“ bleibe, dürfe dieser Gesprächsprozess nicht folgenlos bleiben.

Die Hoffnung, die viele Engagierte in die katholische Kirche und ihre Reformwege setzen, dürfen nach Meinung Florins kein Synonym für Selbstbetrug sein. Stattdessen rief sie zu einer individuellen Auseinandersetzung eines und einer jeden mit diesen Themen auf. Diese Auseinandersetzung wurde schon während des Vortrags von Christiane Florin immer wieder geführt, indem ihre Thesen vom Publikum angefragt, bestärkt oder untermauert wurden.

 

Foto: Die Vorsitzenden des Diözesankomitees Paderborn, Nadine Mersch und Jan Hilkenbach, zusammen mit Christiane Florin.

 

Christiane Florin ist seit 2016 Redakteurin für Religion und Gesellschaft beim Deutschlandfunk, vorher leitete sie die ZEIT-Beilage Christ & Welt Credit: Antje Siemon