Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Paderborn

Zeitzeugenaufruf

Das Thema sexueller Missbrauch hat im inner- und außerkirchlichen Raum heftige Debatten ausgelöst. Wesentliche Fragen sind aber weiterhin offen. Vor diesem Hintergrund hat das Erzbistum Paderborn die Universität Paderborn mit einer historischen Studie beauftragt. Prof. Dr. Nicole Priesching und Dr. des. Christine Hartig suchen daher Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die als Minderjährige sexuelle Gewalt von Klerikern erlebten oder von sexuellen Übergriffen Kenntnis hatten. Zentrales Anliegen der Studie ist es, die Machtbeziehungen und Strukturen herauszuarbeiten, die sexuellen Missbrauch förderten und Aufklärung verhinderten.

In schriftlichen Quellen spielt die Perspektive der Betroffenen eine untergeordnete Rolle. Es existiert nur geringes Wissen darüber, wie die Kirchenleitung und die Gemeinden auf Vorwürfe zu einzelnen Priestern reagierten, wo betroffene Kinder und Jugendliche Hilfe fanden und wo ihnen Unterstützung versagt wurde. Auch über viele Beschuldigte, über ihr Vorgehen und über die kirchliche Umgangsweise mit ihnen geben schriftliche Quellen oft nur wenig Auskunft.

Zur Beantwortung dieser Fragen ist nicht allein die Kenntnis von besonders schweren Taten wichtig. Vielmehr tragen die Erinnerungen jeder und jedes Einzelnen an sexuelle Gewalt durch Kleriker dazu bei, ein genaues Bild von den Taten und ihren Hintergründen zu zeichnen. Auch Betroffene, die selbst kein Interview geben möchten, können dem Projekt persönliche Dokumente zur Verfügung stellen, die im Zusammenhang mit sexueller Gewalt durch Kleriker entstanden.

Dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen kommt höchste Priorität zu. Die Mitarbeitenden am Forschungsprojekt sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Auskünfte und Interviews werden vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergeleitet. Alle Informationen werden anonymisiert. Die Projektbeteiligten arbeiten unabhängig vom Erzbistum. Ergebnisse werden der Öffentlichkeit nach Ende der Studie in Buchform vorgestellt.

Betroffene erreichen Dr. des. Christine Hartig von Montag bis Mittwoch telefonisch unter 05251-60-4432 oder per Mail an christine.hartig(at)uni-paderborn(dot)de. Auch der postalische Weg ist möglich: Christine Hartig, Universität Paderborn, Institut für Kirchen- und Religionsgeschichte, Warburger Str. 100 in 33098 Paderborn.

Neues Teilprojekt im Forschungsvorhaben „Missbrauch im Erzbistum Paderborn“ – Untersuchung zur Amtszeit von Erzbischof Hans-Josef Becker

m Februar 2020 haben Wissenschaftlerinnen der Universität Paderborn mit einer unabhängigen historischen Studie begonnen: Prof. Dr. Nicole Priesching und Dr. des. Christine Hartig, beide vom Lehrstuhl für Kirchen- und Religionsgeschichte, untersuchen seitdem im Forschungsprojekt „Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Eine kirchenhistorische Einordnung“ die Amtszeiten von Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt (1941–2002). „Die unabhängige Aufarbeitungskommission in Paderborn hat unmittelbar nach ihrer Gründung im August 2022 empfohlen, auch die Amtszeit von Erzbischof Hans-Josef Becker, also die Jahre 2002 bis2022, in die Forschung einzubeziehen. Der inzwischen emeritierte Erzbischof stimmte dieser Entscheidung zu. Damit wurde das bestehende Projekt nun um ein neues Teilprojekt erweitert“, so Priesching. Das Erzbistum übernimmt hierfür die finanzielle Förderung über drei Jahre.

Die wissenschaftliche Bearbeitung hat der Historiker Jan Jeskow am Lehrstuhl Prieschings übernommen. In dem nun begonnenen Teilprojekt über die Amtszeit von Erzbischof Becker werden auch die Umsetzung und Wirkung des 2002 initiierten Verfahrens zum Umgang der Kirche mit Betroffenen, die Selbstorganisation der Betroffenen und Änderungen in der medialen Berichterstattung berücksichtigt. Neben der Analyse administrativer Quellen aus kirchlichen und staatlichen Archiven, darunter Personal- und Strafakten, sind Interviews mit Zeitzeug*innen geplant. Die finalen Ergebnisse werden der Öffentlichkeit nach Ende der Studie, voraussichtlich im Jahr 2026, in Buchform vorgestellt. „Wir möchten Betroffene von sexuellem Missbrauch durch Geistliche im Dienst des Erzbistums Paderborn und Menschen, die von solchen Taten Kenntnis hatten, ermutigen, mit uns Kontakt aufzunehmen“, erläutert Priesching. „Sämtliche Informationen werden vertraulich behandelt. Sie können mit Ihren Berichten über das erlebte Unrecht, über Ihre Erfahrungen und Ihrem Wissen dazu beitragen, dass sich in unserer Gesellschaft etwas verändert“, so Priesching weiter.

Ansprechpersonen für die Aufarbeitungsstudien

Amstszeit Becker:

Jan Jeskow, Tel. +49 5251 60-5427, E-Mail jan.jeskow(at)upb(dot)de

Amtszeiten von Jaeger und Degenhardt:

Dr. des. Christine Hartig, Tel. +49 5251 60-4432, christine.hartig(at)uni-paderborn(dot)de).

Weitere Informationen

Weitergehende Informationen zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Paderborn finden Sie auf den folgenden Seiten:

Das Diözesankomitee begleitet die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Paderborn kritisch: